Der Stahl der Zukunft ist grün
Ein Interview mit Felix Schmidt, CEO Kloeckner Metals
Der Stahl der Zukunft ist grün – Kloeckner Metals Germany gehört zu den Vorreitern dieser nachhaltigen Revolution. Mit ihrer Marke Nexigen® hat das Unternehmen ein wegweisendes Konzept entwickelt, das CO₂-reduzierte Materialien und digitale Lösungen vereint, um Lieferketten klimafreundlicher zu gestalten. Im Interview spricht Felix Schmitz, CEO der Kloeckner Metals Germany GmbH, über die Strategie hinter Nexigen®, die Bedeutung nachhaltiger Innovationen in der Stahlbranche und die konkreten Schritte, mit denen Kloeckner nicht nur die CO₂-Bilanz seiner Produkte, sondern auch die der gesamten Wertschöpfungskette seiner Kunden verbessert.
Gemeinsam mit Kloeckner Metals realisieren wir nachhaltige Bauprojekte wie Deutschlands erstes modulares Schulgebäude aus grünem Stahl in Heisenberg. Unsere Zusammenarbeit markiert einen bedeutenden Schritt in Richtung einer nachhaltigeren Zukunft und setzt neue Maßstäbe für umweltfreundliches Bauen.
Kloeckner bietet mit seiner Marke Nexigen® Services und Lösungen, deren CO₂-Emissionen teils nicht einmal halb so hoch sind wie bei konventionell produzierten Vergleichsprodukten. So bietet Kloeckner etwa Stahl mit rund 400 kg CO₂-Emissionen pro Tonne statt der üblichen ca. 1,5 Tonnen CO₂. Wie ist das möglich?
„Das ist möglich, weil wir ein großes Ziel vor Augen haben, dass wir mit präzisen Strategien und konkreten Maßnahmen auch erreichen. Was ist damit gemeint? Zunächst einmal muss man sich vergegenwärtigen, dass die Stahlherstellung für sieben Prozent der weltweit von Menschen verursachten CO₂-Emissionen verantwortlich ist. Nachhaltiger Stahl ist also ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg in eine emissionsfreie Wirtschaft. Unser Beitrag dazu ist Nexigen® - unter dieser Dachmarke bündeln wir unsere transparenten, CO₂-reduzierten Lösungen in den Bereichen Werkstoffe, Anarbeitung, Logistik und umfassende Beratungsleistungen.
Damit unterstützen wir Kunden und Partner bei der nachhaltigen Gestaltung ihrer Lieferketten: Schon heute können diese den individualisierten CO₂-Fußabdruck (Product Carbon Footprint) für nahezu jedes unserer rund 190.000 Klöckner-Produkte über die gesamte Wertschöpfungskette von der Rohstoffgewinnung über die Produktion bis zur Anlieferung an ihr Werkstor mithilfe unseres TÜV-zertifizierten Nexigen® PCF Algorithm berechnen lassen.
Damit wir diese CO₂-reduzierten Stahl- und Metalllösungen anbieten können, setzen wir auf Partnerschaften mit Lieferanten, die konsequent eine innovative, CO₂-reduzierte Stahlproduktion verfolgen, beispielsweise durch die Elektrolichtbogenofen-Produktionsroute, bei der Stahlschrott recycelt wird und im Vergleich zu der üblichen Hochofenroute fünfmal weniger CO₂-Emissionen anfallen. Ein weiteres Beispiel findet sich im Edelstahlbereich. Hier arbeiten wir mit einem Lieferanten zusammen, dessen Produktion so emissionsarm ausfällt wie bei keinem anderen Hersteller weltweit – rechnet man die gesamte Klimabilanz von der Rohstoffgewinnung bis zum Ende der Produktionskette mit ein."
Mit dem Heisenberg Gymnasium in Dortmund haben Sie gemeinsam mit ALHO das erste Modulgebäude mit grünem Stahl in ganz Deutschland umgesetzt. Haben Sie schon erste Eindrücke von Auftraggebern, Projektbeteiligten, Schülern oder Lehrern sammeln können?
„Ja, ich konnte bei der Gebäudepremiere alle Beteiligten noch besser kennenlernen und bin vom Projekt selbst und der konsequenten Nachhaltigkeitsstrategie von ALHO ebenso beeindruckt wie von der Schule und dem Engagement der Stadt Dortmund. Der Einsatz unseres Nexigen® Materials ermöglicht hier die Reduktion der CO₂-Emissionen um 30 Prozent im Vergleich zum Massivbau."
Was bedeutet das Projekt ‚Heisenberg Gymnasium‘ für Kloeckner und auch für Sie persönlich?
„Das Heisenberg Gymnasium unterstreicht auf eindrucksvolle Weise unsere Vorreiterrolle in Sachen CO₂-reduzierter Stahl. [...] Für mich persönlich war diese Premierenfeier etwas ganz Besonderes: Die Gymnasiasten werden in einem „grünen“ Gebäude lernen - für eine berufliche Zukunft in einer Gesellschaft auf dem Weg in die CO₂-Neutralität: Mehr Aufbruch und Zukunft, mehr „erster Tag“, geht nicht."
Green Steel im Projekt HeisenbergWollen Sie das Nexigen®-Leistungs- und Produktangebot noch weiter ausbauen? Welche Zukunftspläne verfolgen Sie mit der Marke?
„Die Zukunft unserer Branche bei CO₂-reduzierten Stahl- und Metalllösungen liegt in ganzheitlichen, konsequent datenbasierten Ansätzen, die über reines Produktdenken hinausgehen. Der Schlüsselbegriff für die Zukunft dieses Marktes lautet „Transparenz“."
Ja, „grüner Stahl“ war und ist in aller Munde - doch was heißt das eigentlich? Welcher Stahl ist „grün“ und welcher nicht? Trotz diverser Kennzeichnungen und Gütesiegel gab es lange Zeit dafür keine allgemeingültige Definition.
„Mit Nexigen® bieten wir unseren Kunden und Partnern eine Lösung an, indem wir erstmals eine klar definierte CO₂-Kategorisierung für Stahl, Edelstahl und Aluminium entwickelt haben, die auf der Kundennachfrage, der Sicht von Produzenten, Produktionstechnologien, ISO-Normen und dem GHG Protocol als dem am weitesten verbreiteten Standard zur Bilanzierung von Treibhausgasemissionen beruht. Diese Transparenz zeichnet auch die operative Nutzung der Nexigen® Data Services aus: Für den Kunden ist hier die CO₂-Emissionshistorie sämtlicher bereits von Klöckner bezogener Produkte übersichtlich an einem Ort online einsehbar. Zudem erhalten Kunden konkrete Vorschläge für grünere Alternativen und sehen direkt CO₂-Reduktionspotentiale im Vergleich zu vorherigen Bestellungen.
Das alles macht uns zu einem Pionier für eine nachhaltige Stahlindustrie. Diesen Weg werden wir auch künftig weiter beschreiten. CO₂-reduzierter Stahl eröffnet ganz neue Perspektiven. Dabei wird es zunehmend darauf ankommen, nicht nur CO₂-reduzierte Stahl- und Metalllösungen als solche anzubieten, sondern umfassende, transparente digitale Services für Industriekunden."
Wie sehen Sie persönlich die weitere Entwicklung CO₂-armer und womöglich sogar CO₂-neutraler Stähle? Welche Entwicklungen erwarten Sie für die kommenden Jahre?
„CO₂-reduzierter Stahl etabliert sich mit einer enormen Dynamik im Markt, die zu einem bedeutsamen Nachfrageüberhang führen wird. Das zeigt eine Studie, die von der Boston Consulting Group und der Klöckner & Co SE verfasst worden ist. Demnach wird die Nachfrage nach CO₂-reduziertem Stahl in Europa so schnell steigen, dass es bereits 2030 zu einem Nachfrageüberhang des heimischen Angebots um 15 bis 20 Millionen Tonnen kommen wird.
Die hohe Nachfrage wird vor allem von großen Stahlverbrauchern wie Automobilherstellern getrieben, die sich bereits jetzt erhebliche Mengen an CO₂-reduziertem Stahl sichern müssen, um ihre mittelfristigen Reduktionsziele zu erreichen, so die Studie. Weitere Gründe sind u.a. die zunehmende Relevanz von allgemeinen ESG-Themen, auch vor dem Hintergrund zukünftig steigender regulatorischer Anforderungen, aber nach meiner Einschätzung und Erfahrung auch eine veränderte Sichtweise unserer Industriekunden auf das Produkt Stahl: Diese sehen CO₂-reduzierten Stahl heute nicht nur als wichtigen Beitrag zur Erreichung eigener Dekarbonisierungsziele, sondern streben danach, selbst kommerzielle Geschäftsmodelle für ihre Produkte aufzubauen.
Hierzulande oft unterschätzt wird ein weiterer, für uns bei Kloeckner Metals Germany mittelbar wichtiger Markttreiber: das veränderte Konsumentenverhalten. Verbraucher sind zunehmend bereit, einen Aufpreis für CO₂-reduzierte Produkte zu zahlen. In einer groß angelegten, internationalen Konsumentenumfrage gaben 57 Prozent der Befragten an, dass sie bei ihrem nächsten Einkauf „definitiv“ oder „wahrscheinlich“ ein CO₂-neutral hergestelltes Produkt kaufen würden. Und 84 bis 94 Prozent erklärten, dass sie bereit seien, für CO₂-neutral hergestellte Autos, Elektrofahrzeuge bzw. Haushaltsgeräte mehr auszugeben."
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