
Mobile Immobilie: Ein Widerspruch in sich?
Ressourcenbewusst handeln durch durchdachte Kreislaufwirtschaft
Da das Bauwesen traditionell zu den ressourcenintensivsten Wirtschaftszweigen zählt, reicht es nicht aus, nur die Energieeffizienz im Betrieb eines Gebäudes zu bewerten. Ausgehend vom Ressourceneinsatz ist eine ganzheitliche Betrachtung des Gebäudelebenszyklus erforderlich, der sich bei modularen Gebäuden deutlich von dem konventionell errichteter Gebäude unterscheidet.
Ressourcenmanagement im Bausektor
Der Bausektor beeinflusst maßgeblich den weltweiten Rohstoffeinsatz und -verbrauch, insbesondere bei der Herstellung der für das konventionelle Bauen wesentlichen Baustoffe Zement und Beton werden erhebliche Mengen nicht erneuerbarer Ressourcen verbraucht. Ein Großteil der in Deutschland gewonnenen Rohstoffe wird für die Bauwirtschaft – also für den Neu-, Aus- und Umbau von Siedlungen, Gewerbe-, Verkehrs- und Infrastrukturflächen – verwendet, sodass ihr eine Schlüsselrolle bei der Erschließung von Einsparpotenzialen zukommt.
Von einer vollständigen Kreislaufwirtschaft ist der Bausektor noch weit entfernt, insbesondere der Abbruch verbraucht große Mengen an Energie und macht fast 52 Prozent des gesamten Abfallaufkommens in Deutschland aus. Mit dem Ansatz des Urban Mining erkennt die Bauwirtschaft jedoch die Wichtigkeit eines ressourcenbewussten Wirtschaftens an. Urban Mining ist die Gewinnung von Sekundärrohstoffen, die vor dem Hintergrund knapper und teurer werdender Ressourcen und der Abhängigkeit von primären Rohstoffquellen von besonderer Bedeutung ist.
Mit dem Ansatz eines vorausschauend geplanten Materialkreislaufs und der Wiederverwendung bzw. Wiederverwertung ist die Modulbauweise dem Urban Mining sogar weit voraus. Die ressourcenoptimierte Herstellung, die flexible Umnutzung oder der einfache Rückbau inklusive einer hohen Recyclingquote wirken sich positiv auf den ökologischen Fußabdruck aus. Im Vergleich zu konventionellen Bauweisen ergibt sich für alle seriellen Bauweisen – unabhängig davon, ob es sich beispielsweise um Stahlmodulbau oder Holzmodulbau handelt – eine geringe graue Energie.
Graue Energie
Graue Energie bezeichnet den Energieaufwand, der aufgebracht werden muss, um ein Gebäude zu errichten – von der Herstellung über den Betrieb bis hin zum Rückbau oder Abriss. Sie ist als Gesamtenergieaufwand im Gebäude gebündelt und muss in der Nachhaltigkeitsbeurteilung berücksichtigt werden.
Best Practice Beispiel für Wiederverwendung
Ein klassisches Beispiel für Wiederverwendung ist die Demontage eines Modulgebäudes, um es an einem anderen Standort eins zu eins wieder aufzubauen. Die modulare Bauweise ermöglicht es, Gebäude zurückbauen, indem sie wieder in die einzelnen Module zerlegt werden. Insbesondere die langlebige, freitragende Grundkonstruktion aus Stahl mit nichttragenden Wänden gibt Grundlage für die Möglichkeit des Ortswechsels, auch nachträgliche Änderungen und Umnutzungen sind flexibel realisierbar.
Das Klinikum Braunschweig ist ein Paradebeispiel für Wiederverwendung. Vor dem Problem stetig steigender Patientenzahlen stehend, erforderte es möglichst schnell eine Lösung des Platzproblems – eine neue Betten- und Dialyse-Station wurde benötigt, möglichst ohne Störung des laufenden Krankenhausbetriebes. Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben entstand in nur 12 Wochen Bauzeit aus 28 hochwertigen Raummodulen ein zweigeschossiger 1.716 m² großer Neubau mit leuchtend roter Putzfassade, der über zwei Verbindungsbauten an den Bestand angebunden war. Bereits hier wurde eine mögliche Aufstockung bei späterem Bedarf statisch berücksichtigt, allerdings ergaben sich knapp 10 Jahre später Standortumstrukturierungen.

Am neuen Standort wurde ein dreigeschossiges Gebäude geplant, das ebenfalls nach zwei Seiten an den Bestand angebunden ist. Mit der Standortänderung sollte eine Nutzungsänderung einhergehen, denn im Erdgeschoss wurde eine neue Intensivstation vorgesehen. Nach umfangreichen Planungen begann im Juni 2022 die Demontage des Bestandsgebäudes mit dem Trennen der Modulverbindungen. Im Inneren wurden u.a. Abhangdecken, Bodenbeläge und Estrich an Übergangstellen sowie Elektroinstallationen zurückgebaut und die Materialien teilweise zur Wiederverwendung eingelagert.
Auf einem überdachten Lagerplatz unweit des Klinikgeländes, der übergangsweise als Werk diente, wurde unmittelbar nach der Demontage mit den Umbau- und Ertüchtigungsarbeiten begonnen. Diese waren zum einen notwendig, da der Kunde eine neue Nutzung als Intensivstation vorgesehen hatte. Dies erforderte eine neue Lüftungsanlage mit angepassten Luftmengen und eine umfangreichere Medienversorgung. Zum anderen mussten die Heizkörper in den Patientenzimmern weichen und durch eine Kühl- und Heizdecke ersetzt werden. Seit der Erst-Errichtung des Gebäudes haben sich bei den gesetzlichen Anforderungen und Vorschriften stark verändert. So war beispielsweise eine Anpassung an die aktuellen Brandschutzbestimmungen notwendig. Auch energetisch wurden die Module auf den neuesten Stand gebracht.
Zeitraffer Abbau:
Wiederaufbau Klinikum Braunschweig:
Am neuen Standort wurde zunächst das Erdgeschoss montiert. Dieses besteht aus 27 Modulen, die parallel zum Umbau der Bestandsmodule im ALHO Werk gefertigt wurden. Darauf wurden die modernisierten Bestandsmodule gesetzt, anschließend folgte der Innenausbau. Als Generalunternehmer hat ALHO die komplette Planung des Projektes, von der Bodenplatte bis zur Übergabe, u.a. inkl. anspruchsvoller Medizintechnik, Raumlufttechnik (RLT) sowie Mess-, Steuerungs- und Regelungstechnik (MSR) übernommen. Das neue, viergeschossige Funktionsgebäude beherbergt nun auf einer Fläche von 2.900 qm die Bereiche Intensivpflege, Neonatologie, Geburtshilfe und die Technikzentrale.
Fazit zur „mobilen Immobilie“
100 Prozent der Tragkonstruktion, nahezu 100 Prozent der Dämmung und des Estrichs sowie rund 70 Prozent des Trockenbaus konnten wiederverwendet werden. Bei den haustechnischen Gewerken konnte ein Großteil der Installationen beibehalten und über die bestehenden Trassen ergänzt werden. Auch wenn individuelle Kundenwünsche und aktuelle gesetzliche Vorgaben dafür sorgen, dass eine 1:1-Wiederverwendung in der Regel nicht möglich ist, zeigt das Projekt „Mobile Immobilie“ des Städtischen Klinikums Braunschweig, dass nachhaltiges Handeln und Ressourceneffizienz keinesfalls widersprüchlich, sondern in Modulbauweise bereits Realität sind.
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