Bauwissen

Nachholbedarf für bezahlbaren Wohnraum

Mehr Mut zum Modulbau

Die Bilanz zur Wohnraumoffensive der Bundesregierung fällt durchwachsen aus. Einige Weichen wurden gestellt, doch nach wie vor gibt es kaum bezahlbaren Wohnraum in den Innenstädten – auch das Angebot an Sozialwohnungen wird immer weniger. Welchen Stellenwert hat das serielle Bauen mittlerweile in der Politik? Wie kann die Modulbauweise dabei helfen, Bauen und Wohnen wieder bezahlbar zu machen?

Bezahlbarer Wohnraum ist insbesondere in den Ballungsgebieten nach wie vor äußerst knapp. Schon vor dem Ausbruch der Pandemie, 2018, hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel deshalb einen Wohngipfel zur „Bündelung aller Kräfte für mehr bezahlbaren Wohnungsbau in Deutschland“ einberufen. Als „historisch einmalig“ beschwor sie damals die sogenannte Wohnraumoffensive, „um den Bau von 1,5 Millionen neuen Wohnungen zu ermöglichen und bezahlbaren Wohnraum zu sichern (...).“ Das Maßnahmenpaket sollte investive Impulse, Maßnahmen zur Sicherung des bezahlbaren Wohnens, zur Baulandmobilisierung, zur Baukostensenkung und zur Fachkräftesicherung gleichermaßen hervorbringen und dabei die Interessen von Mietern, selbstnutzenden Eigentümern und Investoren berücksichtigen. Alleine für die soziale Wohnraumförderung hatte der Bund fünf Milliarden Euro bis 2021.

Wohnraumoffensive: Ziele erreicht...

Was hat sich seitdem getan und wie sieht es heute, zweieinhalb Jahre später, aus? „Wir können bei der Umsetzung der Wohnraumoffensive eine außergewöhnlich erfolgreiche Bilanz ziehen“, verkündete Bundesbauminister Horst Seehofer im Februar stolz. Alle zentralen Beschlüsse des Wohngipfels vom September 2018 seien umgesetzt oder auf den Weg gebracht worden. Der Bund fördere sozialen Wohnungs- und Städtebau mit mehreren Milliarden Euro. Er verkaufe Bauland an die Kommunen bis zum Nulltarif. Die Mietpreisbremse sei verbessert worden, das Wohngeld erhöht. Alles gut also?

… oder verfehlt?

Das sehen nicht alle so: „Von den eigentlich geplanten 1,5 Millionen neuen Wohnungen werden bis zum Ende der Legislaturperiode nur 1,2 Millionen Wohnungen gebaut sein und damit 300.000 zu wenig“, so der Präsident des Bundesverbandes deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW) Axel Gedaschko. Einige Hebel seien zwar in Bewegung gesetzt worden, aber insgesamt sei zu wenig passiert und mehr Tempo erforderlich. Besonders dramatisch ist der Verlust von immer mehr Sozialwohnungen. Zwar wird der Bund sein Versprechen, bis Jahresende 2021 mehr als 110.000 Sozialwohnungen zu bauen mit voraussichtlich 115.000 Einheiten erfüllen, gleichzeitig fallen aber zu viele preisregulierte Wohnungen aus der Sozialbindung.

So hat sich die Anzahl der Sozialwohnungen in Deutschland seit 2007 fast halbiert, stellt Statista auf Basis von Daten des Deutschen Bundestags fest. 2019 wurden in Deutschland 25.565 neue Sozialwohnungen gebaut, während parallel dazu 64.456 Wohnungen aus der Sozialbindung fielen. „Jeden Tag verlieren wir 100 Sozialwohnungen“, rechnen Skeptiker plakativ vor. Das soziale Gewissen des Staates habe im Bereich Wohnen versagt, bringt das Verbändebündnis Sozialer Wohnungsbau das Drama auf den Punkt. „Im unteren Preissegment hat sich ein gewaltiges Wohnungsdefizit aufgebaut: Es fehlen aktuell bundesweit 670.000 Wohneinheiten – fast ausschließlich Wohnungen mit bezahlbarer Miete und Sozialwohnungen“, so Matthias Günther, Leiter des Pestel Instituts, der für das Bündnis eine Studie zum Wohnungsmarkt nach Corona durchgeführt hat.

Bodenverfügbarkeit entscheidet

Das Angebot an bezahlbaren Wohnungen muss steigen, nur dann kann der Druck auf den Wohnungsmarkt sinken und Wohnen wieder bezahlbar werden. Nur wo? Freie Bauflächen stehen in den Wachstumsregionen nicht zur Verfügung oder können nur schwer erschlossen werden. Im Kern geht es also um eine neue Bodenpolitik. Die Bodenverfügbarkeit entscheidet nicht nur über die Gestaltungsfähigkeit der Kommunen, Boden ist auch der größte Preistreiber auf dem Immobilienmarkt. In vielen Kommunen kann man beobachten, was passiert, wenn Bauland fehlt und nicht nachverdichtet wird: Rund um die Stadt entstehen hübsche Neubaugebiete mit Häuschen, während der Ortskern verödet. Zersiedelung à la Donut-Effekt nennt man das. Dabei wäre in vielen Regionen Sanierung, Umnutzung und Flächenverdichtung im Zentrum mit Geschosswohnungsbau die klügere Alternative, ist sich Michael Voigtländer, Immobilienexperte am Institut der deutschen Wirtschaft, sicher.

Umwandlung leerstehender Bürogebäude

Die Bauland-Not macht erfinderisch. So machte das Verbändebündnis Sozialer Wohnungsbau jüngst mit einem kreativen Lösungsansatz auf sich aufmerksam. In einem „Akutplan 2025“ fordert es die verstärkte Umnutzung von leerstehenden Büros in bezahlbare Wohnungen. Deren Potenzial habe sich mit den Transformationsprozessen der Corona-Krise erhöht: Bis 2025 könnten rund 235.000 Wohnungen in bisherigen Büro- und Verwaltungsgebäuden geschaffen werden. Langfristig kann aber allein der Neubau von Wohnungen dafür sorgen, dass sich die angespannten Wohnungsmärkte in den wachsenden Städten wieder ausgleichen. Der überwiegende Teil an neuen Wohnungen ließe sich im Siedlungsbestand erreichen. Typische Beispiele sind die Revitalisierung von Brach- und Konversionsflächen sowie die Schließung von Baulücken. Auch in der Sanierung von Stadtquartieren oder dem Ausbau von Dachgeschossen stecken enorme Nachverdichtungspotenziale.

Von der Flurschule zum „smarten Cluster“

Kaum mehr gebaut wird die Flurschule mit „Schuhkartonklassen“ und einem Flächenansatz von 2 Quadratmeter pro Schüler. Als zukunftsweisend gilt das pädagogische Raumkonzept des Clusters, das aktuell in vielen neuen Schulen umgesetzt wird. Bei der Projektierung fällt die Entscheidung häufig für die Modulbauweise. In der Cluster-Schule sollen sich Räume und Möbel nämlich anpassen lassen an immer neue Lernsettings, didaktische Versuchsanordnungen und die Bedürfnisse von Kindern, die den ganzen Tag in der Schule verbringen. Deshalb ist der Modulbau für die Cluster-Schule geradezu prädestiniert.

Vorbildcharakter soll hier die inklusive Berswordt-Europa-Grundschule Dortmund haben. ALHO arbeitet bei diesem Projekt mit einem auf Schulen spezialisierten Kölner Architekturbüro zusammen. Elementarer Bestandteil des Konzepts ist ein behagliches Ambiente mit viel Licht, natürlichen Materialien und warmen Farben, denn nur wer sich wohlfühlt, ist motiviert zu lernen. Großflächige Verglasungen schaffen weite Sichtachsen sorgen für lichtdurchflutete Räume, Offenheit und Transparenz und stärken so stärken das Gemeinschaftsgefühl. Im Erdgeschoss sind ein Forum, eine Mensa und ein schön gestalteter Gemeinschaftsbereich über einen atriumartigen Innenhof mit vertikaler Begrünung verbunden.

In den oberen Geschossen erstrecken sich dann die typischen Cluster, eines pro Staffeletage: Um einen erweiterten Flur – den „Marktplatz“ – sind zwei bis sechs Unterrichtsräume, ein „Differenzierungsraum“ und Gruppenräume angeordnet sowie eine Teamstation für die Lehrer mit Arbeitsplätzen und Kopierstation. Der „Marktplatz“ kann für Teilungsunterricht, Einzel- oder Gruppenarbeiten genutzt werden, aber auch zum Ausruhen und Spielen. Die pädagogische Idee dahinter: Lernsettings und -methoden sollen sich an die Schüler anpassen, nicht umgekehrt. Für jedes Kind soll das passende Lernumfeld geschaffen werden, so dass es sein Potenzial bestmöglich abrufen kann. Zudem werden die Grundrisse den Anforderungen der Inklusion gerecht – der Integration von Kindern mit Förderbedarf. Sie bieten Überschaubarkeit sowie zusätzliche Fläche für Bewegung, Rückzug und „temporäre Differenzierung“, also Förderunterricht.

Aber erst im Zusammenspiel der Architektur mit der digitalen Infrastruktur kann der Lehranspruch der Schule seine Wirkung entfalten. So werden zunächst flächendeckendes WLAN und ein IT-Netzwerk in Form einer umfassenden Gebäudeverkabelung implementiert. Die Feinjustierung wurde schon in der Projektierungsphase präzise mit dem Bauträger und dem Unterrichtskonzept der Schule abgestimmt: In welchen Räumen sollen Beamer, Whiteboards, Dokumentenkameras, Audiosysteme zum Einsatz kommen? Sollen die Kinder Notebooks, Tablets und Smartphones nutzen können? Wie muss der Lehrerplatz ausgestattet sein? Wo und wie werden akkubetriebene Endgeräte aufgeladen? Welche WLAN-Netzwerke sollen in welchen Räumen verfügbar sein? Die entsprechenden Vorrüstungen werden auf Basis der erstellten IT-Landschaft bereits im Werk in die Module integriert.

Gut vorbereitet auf die Zukunft

Zu beobachten ist, dass Modulbauten bis vor kurzem meist nur als Interimslösungen und „Container“ wahrgenommen wurden, sich inzwischen im Schulbau aber als gleichwertige Alternative zur konventionellen Bauweise etabliert haben. Ein Grund liegt neben ihrer Zeit- und Kosteneffizienz sicherlich auch darin, dass mittlerweile eine hohe gestalterische Vielfalt und Qualität möglich ist. Die größte Stärke der Modulbauweise im Schulbau aber ist und bleibt ihre Wandelbarkeit. Sowohl Räume als auch technische Ausrüstung sind beliebig und einfach modifizierbar – je nachdem wie sich pädagogische Konzepte, Schülerzahlen und Technologien entwickeln. So wird Modulbau zu einem probaten Element der Digitalisierungsstrategie, um deutsche Schulen und die nächsten Generationen für die Herausforderungen des digitalen Zeitalters fit zu machen.

Geht es voran mit der Digitalisierung der deutschen Schulen, Herr Ansorge?

Ich würde sagen, ja. Im Rahmen städtischer Digitalisierungsoffensiven setzt ALHO derzeit sieben Schulen in Köln um und drei in Berlin. Zudem dürfen wir mit dem Max-Planck-Gymnasium und mit der Berswordt-Europa-Grundschule in Dortmund zwei Projekte realisieren, die weit über dem digitalen Standard liegen.

Ist es für Träger schwer zu kommunizieren, was sie an IT-Infrastruktur benötigen?

Es reicht, wenn sie wissen, in welchem Maß die Schüler mit Tablets arbeiten sollen, ob es ein Intranet geben soll, welche E-Learning-Plattformen sie verwenden wollen etc. pp. Oft sind die Wünsche da schon ziemlich konkret, dann können wir zügig in die Umsetzung gehen. In anderen Fällen wird eine Beratungsphase vorgeschaltet, in der man Schritt für Schritt den individuellen Bedarf eruiert. Der Kunde soll ja auch wirklich die Gebäudeausrüstung bekommen, mit der er seine Vorstellungen von einem zeitgemäßen Unterricht umsetzen kann.

Was ist bei der technischen Gebäudeausrüstung neuer Schulen zu beachten?

Ganz wichtig ist es, die Technik immer im Gesamtpaket zu sehen. Neben der IT spielen auch andere technische Faktoren eine Rolle, um gutes Lernen zu gewährleisten. Etwa ein Sonnen- und Blendschutz, der wie eine Sonnenbrille wirkt. Ohne ihn könnten viele Schüler die Texte auf dem Whiteboard gar nicht lesen. Beim Sichtwechsel zwischen den stark beleuchteten Bereichen und Schatten werden die Augen zudem schnell überanstrengt. Das macht schnell müde. Ein anderes Beispiel ist die Lüftung. Frische Luft ist heutzutage nicht mehr nur für die Konzentration wichtig. Da reicht es nicht mehr, ab und zu die Fenster aufzureißen. Eine Lüftungsautomatik, deren Einbau wir bei unseren Schulprojekten empfehlen, misst mit CO2-Sensoren die Luftqualität im Raum und schaltet sich bei Bedarf ein. Meiner Meinung nach ein absolutes Muss nicht nur für ein angenehmes Raumklima, sondern auch für eine ausreichende Hygiene.

Was fasziniert Sie als TGA-Planer besonders am Schulbau?

Dass es gerade in diesem Bereich so wichtig ist, dass Haustechnik und IT mithalten können mit neuen Entwicklungen und Trends. Die TGA im Modulbau hat die nötige Flexibilität, um mit den kommenden Generationen und ihren Lernmodi quasi „mitzuwachsen“. Damit besitzt sie durchaus eine gewisse gesellschaftliche Relevanz, und das ist natürlich eine schöne Sache.


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